Die Märklin 800er-Serie
Die ersten Märklin 00-Lokomotiven gehörten der Serie „700“ an. Diese waren technisch stark an die Spur 0-Lokomotiven angelehnt. Der Allstrom-Motor befand sich bei B-gekuppelten Lokomotiven zwischen den beiden Antriebsachsen und trieb über ein Stirnrad am Anker direkt das Zwischenzahnrad an. Die Untersetzung war daher wenig ausgeprägt und die Loks entsprechend schnell.
Die Loks verfügten über einen einfachen Handumschalter. Gefahren werden konnte mit Wechsel- oder Gleichspannung. Alternativ gab es einen aufsteckbaren „Fernumschalter“. Dieser bestand aus 2 Seelen-Dioden. Gefahren wurde bei diesem System mit Gleichspannung! Die Fahrtrichtung wurde über einen Polwender verändert.
Dies ist ein Kuriosum der Modellbahngeschichte. Die ersten Märklin-00-Bahnen waren ein Gleichstromsystem, während die ersten Trix-Bahnen ein Wechselstromsystem waren. Genau entgegen der heutigen Ausrichtung.
Der Feldmagnet der Loks stand Waagerecht. Zusätzlich sind ist der Spalt zwischen Kollektor und Feldmagnet sehr gering. Dies führt oft zu klemmenden Motoren, teilweise auch erst wenn er unter Spannung steht. Gut für den Sammler: Die Standard-Koblebürsten 600300 passen auch bei den 700er Modellen.
Durch die geringe Haltbarkeit (sehr geringe Materialstärken im Fahrwerk) und Zinkpest sind 700er Loks inzwischen extrem selten. Fahrfähige erst recht.
1938 wurde dann mit der „800er Perfektschaltung“ das bis heute gebräuchliche Wechselstromsystem eingeführt. Hierzu wurde in die Loks ein Relais eingebaut, welches bei ca. 24 V anzog und eine kleine Schaltwalze weiterbewegte. Die bis heute im Analogbetrieb eingesetzte 24V-Überspannungsumschaltung war geboren. Da Trix Patente auf eine Motorunterbrecherschaltung hatte, mussten die Relais bis in die 1950er Jahre ohne einen Kontakt zur Motorstromunterbrechung auskommen. Die Loks machten daher beim Umschalten einen mehr oder weniger großen Satz nach vorne, den „Bocksprung“.
Der Umschalter hatte folgende Schaltstellungen: Vorwärts – Stand mit Licht – Rückwärts – Stand mit Licht.
Die erste 800er Lokomotiven waren etwas anders konstruiert als die späteren, ab den 1950er Jahren geltenden, Konstruktionsprinzipien. Es wurde zuerst ein 2-achsiges und ein 3-achsiges universelles Fahrwerk mit mittelgroßen Rädern konstruiert. Diese Fahrwerke bestanden aus einen schmalen Zinkdruckgussrahmen, der nur wenig länger war als der Achsstand der Treibachsen. In diesen Rahmen wurden der Motor und Umschalter eingeschraubt. Die Fahrtrichtungsumschalter der ersten Generation waren im Gegensatz zu späteren Modellen von unten eingeschraubt. Weitere Fahrwerksteile der Loks (z.B. Rahmen, Umlauf, Vorläufer und Radblenden) und die Gehäuse wurden dann um das Fahrwerk herum gebaut.
Diese beiden Standard-Fahrgestelle wurden für folgende Lokomotiven verwendet und sind innerhalb der Familie untereinander austauschbar:
2-achsig: R 800, SLR 800, T 800, RS 800
3-achsig: HR 800, SK 800, HS 800
Daneben gab eine Sonderkonstruktion für den Triebwagen TW 800.
Die ersten Motoren hatten Motorschilder mit geschraubten Kohlebürstenhalterungen und Spiralfedern. Da die Motoren durch die zusätzliche Getriebestufe höher saßen als bei den „700er“ Modellen waren Durchbrüche im Gehäuse für die Kohlebürstenhalterungen erforderlich. Die frühen „800er“ Motoren waren etwas schmaler als die späteren ab den 1940er Jahren. Das Blechpaket des Stators war nur ca. 38 mm breit. Die Motoren ab den 1940er Jahren entsprechen in den Maßen den späteren großen Scheibenkollektormotoren mit ca. 53 mm breiten Blechpaket und lassen sich mit aktuellen Ersatzteilen reparieren und meist sogar auf den Märklin-Hochleistungsantrieb (60944) umrüsten. Es kann hier jedoch zu Problemen beim Aufsetzen des Gehäuses kommen.
Ab 1947 wurde ein neues Motorschild mit Federdrähten an den Kohlebürstenhalterungen eingeführt, wie es bis heute gebräuchlich ist. Der Motor baute daher etwas schmaler, das Schild insgesamt jedoch etwas breiter. So dass die Durchbrüche zwar entfallen konnten, dafür aber im oberen Bereich des Motorschildes teilweise Ausbuchtungen am Gehäuse erforderlich wurden. Dies ist besonders schön an der HR 800 N, SK 800 und T 800 zu sehen. Die Umstellung erfolgte schleichend bis ca. 1950.
Die ist auch die Überleitung zur Nachkriegszeit. Bis ca. 1947 wurden viele Vorkriegs-Lokomotiven mit nur geringen Abweichungen gefertigt.
Ab 1947 wurden viele der Vorkriegskonstruktionen jedoch sehr stark überarbeitet, so dass Sie eigentlich als vollständige Neukonstruktionen gelten und kaum noch ein Gleichteil mit ihren Vorgängern hatten. Diese Modelle wurden mit einem „N“ gekennzeichnet.
Folgende Modelle wurden nach dem Krieg weitgehend neu konstruiert: HR 800N, SK 800N, RS 800N.
Diese Modelle entsprachen bereits den Konstruktionsprinzipien der 1950er Jahre. Sie hatten ein einteiliges Fahrwerk mit integriertem Motor und von außen sichtbaren Detaillierungen wie Schürzen und Luftkesseln, sowie meist einteilige geschraubte Gehäuse. Die Beleuchtung wurde auf zierlichere Steckbirnen (60000) umgestellt.
Die Modelle CCS 800 (Krokodil, ab 1947), MS 800 (BR E18, ab 1947), TP 800 (BR 64, ab 1948) und G 800 (BR 44, ab 1950) leiteten eine neue, modellgerechte Epoche ein, bei der viele der alten Konstruktionen alt aussahen.
Bei der CCS 800 mit den schmalen Vorbauten wurden erstmals ein neues Antriebskonzept verwirklicht. Ein quer angeordneter Motor im Mittelteil trieb über Wellen und Schnecken/ Stirnradgetriebe alle Achsen an. Ähnliche Antriebskonzepte wurden auch für die ebenfalls in diesem Zeitrahmen erschienenen Modelle ST 800 (19xx, Triebwagen nach fiktiven Amerikanischen Vorbild) und DL 800 (19xx, Doppellok aus 2 Triebköpfen des ST 800) realisiert.
Märklin hatte besonders mit dem ST 800 wohl weitgehend den Blick auf den Export gerichtet. Vor der Währungsreform waren Märklin-Artikel für Deutsche kaum erhältlich.
Die Modelle R 800 und SLR 800 wurden nach dem Krieg nicht mehr als reguläre Katalogware gefertigt. Hier wurden nur noch Reparaturersatzmodelle für durch Krieg oder Materialermüdung (Zinkpest) zerstörte Modelle angeboten. Der Triebwagen TW 800 wurde als TW 800N für kurze Zeit noch einmal aufgelegt. Auch die übriggebliebenen Vorkriegskonstruktionen T 800 und HS 800 wurden durch vorbildgetreuere, vollständige Neukonstruktionen ersetzt:
- MS 800 (BR E18) ersetzte ab 1947 die HS 800
- TM 800 (BR 80) ersetzte ab 1950 die T 800
- DT 800 (Fiktiv) ersetzte den TW 800
- RM 800 (BR 24) ersetzte ab 1951 die R 800
Aus Vereinheitlichungsgründen wurde für die kostengünstigen Modelle mit der TM 800 noch einmal ein Einheitsfahrwerk geschaffen. Dieses erhielten die TM 800, RM 800 und die RMS 800 als Nachfolger zur RS 800N.
1950 kam mit der Schweizer Re 4/4 (RE 800) ein technisches Kleinod auf den Markt. Es war die erste Drehgestelllokomotive von Märklin. Sie erhielt ein ähnliches Antriebskonzept wie die CCS 800 oder der ST 800. Ein quer zur Fahrtrichtung eingebauter Motor trieb über Wellen und ein anschließendes Schnecken-Stirnradgetriebe alle Achsen an. Eine Technik, die Jahrzehnte später zum allgemeinen Standard im Modellbahnbau wurde. Damals war die Zeit dafür aber noch nicht reif. Die mechanische Konstruktion war zu aufwändig und damit teuer, auch war kaum mehr Platz für den Fahrtrichtungsumschalter. Die Lok blieb daher ein Versuchsballon.
Die zeitgleich vorgestellte E44 (SE 800) wurde ganz anders konstruiert. Der normale große Scheibenkollektor Motor trieb die beiden fest im Rahmen gelagerten inneren Achsen an. Die beiden äußeren Achsen waren wie die Vorlaufachsen einer Dampflok beweglich am Rahmen angebracht. Die Drehgestellblenden kaschierten die Konstruktion.
Nur wenig später wurde auch die Re 4/4 als RES 800 auf diese Konstruktion umgestellt. Des Weiteren erschienen noch eine niederländische und französische E-Lok (SWF 800, SEW 800) mit dem gleichen Fahrwerk.
Die E 44 und Re 4/4 wurden ab 1954 noch einmal leicht überarbeitet (mittiger Skischleifer statt kurze Klappschleifer, beidseitige Beleuchtung) als SET 800 und RET 800 auf den Markt gebracht.
Auch die erst 1947 stark überarbeitete HR 800N sah im Vergleich mit der maßstäblichen G 800 schon alt aus. Daher folgte 1952 mit der F 800 ein weitaus vorbildgerechteres, sehr zierliches Modell der BR 01, welches sich noch bis 1972 und gar bis 1992 im Primex-Programm hielt. Hierfür wurde, da der Motor schräg gestellt wurde ein spezielles Motorschild konstruiert.
1953 katapultierte Märklin sich mit den Klassikern CM 800 (BR 89.0, spätere 3000) und CE 800/ CEB 800 (BR E63, spätere 3001/ 2002) in die „Moderne“. Die Loks erhielten erstmals ein fein detailliertes Gehäuse aus Kunststoff. Des Weiteren waren die Modelle weitgehend maßstäblich ausgeführt. Hierfür wurde ein vollständig neuer Motor konstruiert, der „kleine Scheibenkollektor-Motor“. Ebenso wurde der Fahrtrichtungsumschalter stark verkleinert. Neben der CM 800 sah die TM 800 unmaßstäblich und plump aus. Die CM 800 (später 3000) ist der absolute Klassiker im Märklin-Programm und ist leicht modernisiert und digitalisiert bis heute mit der Artikelnummer 30000 im Sortiment. Die Lok wurde inzwischen über 5.000.000-mal gefertigt.
1953 wurde auch mit der Einführung des Modellgleises und damit der Punktkontakte die Schleiferkonstruktion endgültig geändert. Es gab zwar ab den frühen 1950ern schon Versuche mit Ski statt Löffelschleifern, ab diesem Zeitpunkt war aber der Skischleifer Standard. Die erste Standard-Bauform unterschied sich noch in Details (einfachere Aufhängung, großes Loch in der Mitte) von den heutigen Schleifern.
Ein weiteres Highlight war ab 1954 das sehr maßstäbliche Modelle einer BR 23 unter der Artikelnummer DA 800 (später 3005). Dieses wurde zuerst mit Kunststoffgehäuse gefertigt. Es gab jedoch Probleme mit verzogenen Gehäusen, so dass die Produktion nach 2 Jahren auf Zinkdruckguss umgestellt wurde. Gute Modelle mit Kunststoffgehäuse sind heute recht selten. Es ist wohl das Einzige Modell, bei dem die Sammler ein Kunststoffgehäuse bevorzugen.
1955 kam der Schienenbus VT 95 auf den Markt (DB 800K, später 3016). Nach den frühen Versuchen mit der Glaskugel in R 700, RS 700 und SLR 700/ 800, war dies wieder ein erstes Modell mit Beleuchtung über Lichtleitkörper und innen liegender Glühlampe. Die feine Beschriftung war nicht mehr erhaben, sondern wurde mit Abziehbildern angebracht.
1956 war das Letzte Jahr der 800er Modelle. Den offiziellen 800er-Abschluss machte das zierliche Modell einer BR 24 (FM 800, später 3003), welches die RM 800 mit ihrer fehlenden Vorlaufachse ablöste. Die BR 24 ist ein weiterer Klassiker, der sich bis in die 2000er-Jahre im Märklin-Sortiment behauptete.
1957 wurde das bis heute gültige Nummernschema eingeführt. Die 800er-Loks erhielten die Nummernreihe 3000.
Es fand in dieser Zeit auch eine technische Umstellung statt. Nachdem der Fahrtrichtungsumschalter in der ersten Hälfte der 1950er Jahre schon mehrfach verkleinert wurde (immer noch mit Schaltwalze), wurde ab 1957 ein Motorunterbrecherkontakt ergänzt und später ein vollkommen neuer Umschalter mit fahrstromunterbrechender Schaltwippe entwickelt. Das Trix-Patent war ausgelaufen. Damit gehörte bei korrekter Einstellung des Fahrtrichtungsumschalters der Bocksprung der Vergangenheit an, aber auch die Schaltstellung „Stand mit Licht“.
Und damit endet hier auch die Geschichte der Reihe 800. Auch wenn einige Konstruktionen bis in die jüngste Vergangenheit und einige sogar bis heute weiterleben.